Urlaub in der Insolvenz: Geht er verloren?

Urlaub in der Insolvenz

Urlaubsanspruch in der Insolvenz: Was Arbeitnehmer wissen sollten

Ein Insolvenzverfahren ist für Beschäftigte oft mit Unsicherheiten verbunden – insbesondere wenn es um finanzielle Ansprüche wie den Jahresurlaub geht. Unser Mandant erlebte genau diese Situation: Sein Arbeitgeber meldete Insolvenz an, doch das Unternehmen wurde sofort von einem Erwerber übernommen. Die Erleichterung währte jedoch nur kurz. Schon am nächsten Tag erhielt er Post mit der Mitteilung, dass sein noch nicht genommener Jahresurlaub ersatzlos entfalle. Eine überraschende und fragwürdige Entscheidung – zu Recht, wie sich herausstellte.

Urlaubsanspruch und Insolvenz: Ein komplexes Zusammenspiel

Sowohl das Urlaubsrecht als auch das Insolvenzrecht sind eigenständige, komplexe Rechtsgebiete. Wenn sie aufeinandertreffen, entstehen oft Unsicherheiten – nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei Insolvenzverwaltern und neuen Arbeitgebern. Grundsätzlich gilt: Urlaub geht in der Insolvenz nicht automatisch verloren. Die entscheidende Frage lautet, ob es sich um eine sogenannte Insolvenzforderung oder eine Masseforderung handelt.

Insolvenzforderungen vs. Masseforderungen

Das Insolvenzrecht unterscheidet zwischen zwei Arten von Forderungen:

  • Insolvenzforderungen: Sie betreffen Ansprüche, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind. Während offene Lohnforderungen in der Regel durch das Insolvenzgeld abgesichert sind, müssen alle anderen Ansprüche aus der verbliebenen Insolvenzmasse bedient werden – oft mit einer geringen Quote oder gar nicht.
  • Masseforderungen: Diese entstehen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und werden vollständig beglichen, da sie aus der Insolvenzmasse finanziert werden.

Die zentrale juristische Frage beim Urlaub lautet: Gehört er zur Insolvenz- oder Masseforderung? Die Antwort hängt davon ab, ob der Urlaub bereits genehmigt wurde.

Wurde der Urlaub bewilligt oder nicht?

Hier liegt der Knackpunkt:

  • Bereits genehmigter Urlaub gilt als Insolvenzforderung. Wurde der Urlaub vor Insolvenzeröffnung genehmigt, wird er wie andere offene Ansprüche behandelt. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer im besten Fall eine geringe Quote erhält, im schlimmsten Fall geht der Anspruch verloren.
  • Noch nicht beantragter Urlaub hingegen zählt als Masseforderung und muss vollständig gewährt werden. Denn der Urlaubsanspruch entsteht nicht durch monatlich erbrachte Arbeitsleistung, sondern besteht als Ganzes für das jeweilige Kalenderjahr. Eine zeitliche Zuordnung vor oder nach der Insolvenzeröffnung ist daher nicht möglich.

Warum entscheiden Gerichte so?

Die rechtliche Grundlage liegt im Arbeitsvertrag. Grundsätzlich gilt: Arbeit gegen Entgelt. In bestimmten Fällen – etwa bei Krankheit oder Urlaub – erhält der Arbeitnehmer sein Gehalt auch ohne Arbeitsleistung. Dabei wird das Gehalt während des Urlaubs als Urlaubsentgelt weitergezahlt (nicht zu verwechseln mit einer freiwilligen Sonderzahlung wie dem Urlaubsgeld).

Da es sich bei diesem Entgelt um eine reine Geldforderung handelt, unterliegt es den insolvenzrechtlichen Regeln für Forderungen. Daher entscheidet allein der Zeitpunkt der Urlaubsbewilligung darüber, ob der Anspruch erhalten bleibt oder nicht.

Fazit: Urlaubsanspruch nicht vorschnell aufgeben

Arbeitnehmer sollten sich in einem Insolvenzverfahren nicht vorschnell mit dem Verlust ihres Urlaubs abfinden. Solange der Urlaub nicht genehmigt war, bleibt der Anspruch erhalten und ist vom neuen Arbeitgeber vollständig zu erfüllen. Betroffene sollten sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten lassen, um ihre Ansprüche durchzusetzen.


Heike Traphan

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Marc Traphan

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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