Ein einziges Wort mit weitreichenden Folgen: Wie eine fehlerhafte Ausschlussfrist den Arbeitgeber zur Nachzahlung zwang
Ein unscheinbares Wort in einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel reichte aus, um den Arbeitgeber zur Nachzahlung von Spesen zu verpflichten. Was war schiefgelaufen? Die Antwort lieferte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nach eingehender Prüfung des Falls.
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Der Streitfall: Spesenersatz trotz Ausschlussfrist
Ein Arbeitnehmer forderte von seinem Arbeitgeber die Erstattung von Spesen in Höhe von rund 1.700 Euro. Der Arbeitgeber lehnte die Forderung ab und verwies auf eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist. Diese lautete:
§ 17 Verfallfristen
(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.
(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab, oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs dagegen, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Das Landesarbeitsgericht gab zunächst dem Arbeitgeber recht. Doch in der dritten Instanz entschied das Bundesarbeitsgericht zugunsten des Arbeitnehmers – und das aus gutem Grund.
Die tückische Formulierung der Ausschlussfrist
Auf den ersten Blick schien die Klausel eine übliche zweistufige Verfallfrist zu regeln:
- Der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch schriftlich geltend machen.
- Wird der Anspruch abgelehnt oder nicht innerhalb von zwei Wochen beantwortet, muss innerhalb von drei Monaten Klage eingereicht werden.
Doch die Formulierung enthielt eine problematische Feinheit: Die zweite Alternative lautete „erklärt sie sich nicht […] dagegen“. Diese Wortwahl implizierte, dass eine Klage auch dann erforderlich war, wenn der Arbeitgeber den Anspruch ausdrücklich anerkannte.
Warum war die Klausel unwirksam?
Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass diese Formulierung eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellte. Der Grund: Eine solche Klausel könnte Arbeitnehmer irreführen und sie glauben lassen, sie müssten selbst dann eine Klage einreichen, wenn der Arbeitgeber ihnen bereits zugesichert hat, die Forderung zu erfüllen. Das verstieß gegen das Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) nach § 305c BGB.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das BAG entschied:
„Die zweite Stufe einer vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellten Ausschlussfristenregelung ist intransparent, wenn sie … dem verständigen Arbeitnehmer suggeriert, er müsse den Anspruch ausnahmslos innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfrist auch dann gerichtlich geltend machen, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs zugesagt oder den Anspruch anerkannt hat. Eine in diesem Sinne zu weit gefasste Klausel benachteiligt den Vertragspartner unangemessen, weil sie nicht der wahren Rechtslage entspricht.“
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.12.2019 – 9 AZR 44/19
Ein einziges Wort mit großer Wirkung
Hätte der Arbeitgeber auf das Wort „dagegen“ verzichtet, wäre die Klausel wirksam gewesen. Dann hätte die Regelung lediglich bedeutet, dass die Klagepflicht nur bei ausdrücklicher Ablehnung oder stillschweigender Nichtreaktion bestand – nicht aber im Falle einer Anerkennung des Anspruchs.
Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, wie eine unglückliche Formulierung in Arbeitsverträgen gravierende finanzielle Folgen haben kann. Arbeitgeber sollten daher ihre Vertragsklauseln sorgfältig prüfen lassen, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden.