Urlaubsabgeltung: Insolvenzverwalter muss nicht genommen Urlaub auszahlen

Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub muss ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter jetzt vollständig auszahlen. Bislang wurde nur der Urlaub abgegolten, der auf die Zeit für die Tätigkeit des Mitarbeiters für den Insolvenzverwalter entfiel. Das Bundesarbeitsgericht änderte seine Rechtsprechung.

Wenn ein Unternehmen in finanzielle Schieflage gerät, kann das Gericht schon vor der Insolvenzeröffnung einen Insolvenzverwalter bestellen. Manchmal soll der Insolvenzverwalter dann die vollständige Kontrolle über das Vermögen erhalten. Das Gericht spricht ein allgemeines Verfügungsverbot aus (§ 21 InsO). Plastisch ausgedrückt: Der Insolvenzverwalter ist dann Herr im Haus, die Geschäftsleitung hat nichts mehr zu sagen. In diesem Fall spricht man von einem starken Insolvenzverwalter.

Der Insolvenzverwalter wird das Unternehmen fortführen, wenn er dafür gute Chancen sieht. Alle Mitarbeiter arbeiten dann weiter, als wäre nichts geschehen. Doch wenn das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters beendet wird, muss der nicht genommene Urlaub ausgezahlt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zum Umfang der Urlaubsabgeltung neu formuliert. Arbeitnehmer werden künftig mehr Geld erhalten.

Über welchen Fall hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Ein Mitarbeiter arbeitete für ein Unternehmen, für das Insolvenz beantragt wurde. Der starke Insolvenzverwalter ließ den Mitarbeiter weiterarbeiten, bis dieser das Arbeitsverhältnis selbst kündigte. Anschließend verlangte der Mitarbeiter die Urlaubsabgeltung für den gesamten noch nicht in Anspruch genommenen Urlaub. Der Insolvenzverwalter zahlte nur einen Teil entsprechend der bislang geltenden Rechtsauffassung. Der Mitarbeiter verlor seine Klage vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht verurteilte den Insolvenzverwalter, den nicht genommenen Urlaub auszuzahlen (Urteil vom 25.11.2021 – 6 AZR 94/19).

Wie wird die Urlaubsabgeltung künftig berechnet?

Urlaubsabgeltung wurde bislang getrennt betrachtet. Urlaub konnte Insolvenzforderung sein. Dann erhielten Mitarbeiter nur eine anteilige Zahlung, die Quote, weil das Vermögen regelmäßig nicht ausreichte, um alle Schulden des Unternehmens zu bezahlen. Der Urlaub konnte aber auch Masseforderung sein, die zuerst vollständig zu bezahlen war. Zäsur war die Übernahme der Geschäftsführung durch den Insolvenzverwalter. Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts sprach Urlaubsabgeltung nur für die Zeit ab Bestellung des Insolvenzverwalters zu. Der restliche Urlaub verfiel. Jetzt sah der 6. Senat die Rechtslage anders und urteilte entsprechend, weil der 9. Senat seine andere Ansicht aufgab.

In welchen Fällen können Sie also eine Zahlung verlangen?

Urlaubsabgeltung für den gesamten Urlaub gibt es immer dann, wenn 1) ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde und 2) dieser das Arbeitsverhältnis fortführt, Sie also wie gewohnt weiterarbeiten. Allerdings: Das Zusammenspiel von Urlaubs- und Insolvenzrecht ist nicht einfach; das Urteil wird in der juristischen Literatur kritisch gesehen. Es muss jeder Fall einzeln sorgfältig geprüft werden – es kann sich aber lohnen.

Gibt es andere Fälle der Urlaubsabgeltung?

Die besprochen Urlaubsabgeltung betrifft eine bestimmte Fallkonstellation. Häufig stellt sich auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen Urlaub eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist. Details dazu finden Sie im Beitrag Urlaub in der Insolvenz: Geht er verloren?.