Druckkündigung: Arbeitgeberpflichten sind hoch

Druckkündigung - LAG Niedersachsen

Das LAG Niedersachsen stellt klar: Arbeitgeber dürfen einer Kollegendrohung nicht ohne Weiteres mit Kündigung begegnen. Personalentscheidungen unter Druck erfordern sorgfältige, dokumentierte Schritte. Arbeitgeber sollten konsequent auf Prävention und Nachweisbarkeit setzen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Der Beitrag erklärt, welche Schritte vor einer Druckkündigung nötig sind.

Hintergrund: Parteien & Ablauf

Die Beklagte ist Arbeitgeberin im Bereich Personenverkehr; der Kläger langjähriger Arbeitnehmer. Über Jahre kam es zu wiederkehrenden Konflikten zwischen dem Kläger und Kolleginnen und Kollegen. Nach erneuten Eskalationen erklärten zahlreiche Beschäftigte, sie wollten unter bestimmten Umständen kündigen oder verlangten die Versetzung des Klägers. Die Arbeitgeberin sprach daraufhin eine außerordentliche Kündigung (Druckkündigung) aus; das Arbeitsgericht erklärte diese für unwirksam. Die Beklagte legte Berufung ein — das LAG Niedersachsen wies sie zurück.

Streitgegenstand: Worüber hat das Gericht entschieden

Kernfrage war, ob eine sogenannte Druckkündigung (Kündigung wegen Drucks Dritter) gerechtfertigt ist und ob die Arbeitgeberin ausreichend versucht hatte, den Druck abzuwenden. Zusätzlich begehrte die Beklagte hilfsweise die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Auflösungsantrag).

Entscheidungsgründe des Gerichts

1. Druckkündigung: Hohe Anforderungen

Eine Kündigung wegen Druck von Dritten ist nur in engen Grenzen zulässig.
Das Gericht betont, dass Arbeitgeber nicht sofort nachgeben dürfen, wenn Teile der Belegschaft die Entlassung fordern. Erst wenn konkrete Maßnahmen (z. B. Streik, massenhafte Kündigungen) unmittelbar drohen und alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, kommt eine Kündigung in Betracht.

2. Fürsorgepflicht: Schutz des Mitarbeiters erforderlich

Arbeitgeber müssen sich schützend vor den Betroffenen stellen. Die Richter verlangen aktive Vermittlungs- und Deeskalationsschritte. Bloße Bedauernsbekundungen oder allgemeine Hinweise genügen nicht; es sind gezielte, dokumentierte Maßnahmen gefragt (Fürsorgepflicht (Schutzpflicht des Arbeitgebers)).

3. Mediation: Ernsthafte und nachweisbare Angebote

Wiederholte, nachvollziehbare Mediationsangebote sind Voraussetzung. In dem Fall reichten die vorgelegten Mediationsversuche nach Ansicht des Gerichts nicht aus oder ihr Zugang war nicht nachweisbar. Ohne belegbare, ernsthafte Vermittlungsbemühungen fehlt die Grundlage für eine Druckkündigung.

4. Fehlende Abmahnung bei Verhaltensvorwürfen

Bei behaupteten Pflichtverletzungen fehlte oft die Abmahnung. Für eine verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich. Das Gericht stellte fest, dass entsprechende Abmahnungen nicht oder nicht plausibel nachgewiesen wurde.

5. Auflösungsantrag: Arbeitgeber kann bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung nicht klagen

Der Arbeitgeber kann die Auflösung nicht beantragen, wenn seine außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Nach dem Urteil steht das Auflösungsrecht im solchen Fällen nur dem Arbeitnehmer zu; eine analoge Anwendung entsprechender Vorschriften für den Arbeitgeber lehnt das Gericht ab (Auflösungsantrag (gerichtliche Auflösung)).

Was das Urteil praktisch bedeutet: Kurz erklärt

  • Arbeitgeber sollten Deeskalations- und Mediationsschritte zeitnah, aktiv und dokumentiert nachweisen.
  • Kommunikationsmaßnahmen an die Belegschaft müssen deutlich machen, dass Kündigungen keine Selbstverständlichkeit sind.
  • Vor einer Kündigung sind Abmahnungen und andere milderen Mittel zu prüfen und zu protokollieren.
  • Einschreiben und Nachweise über Zugänge sind wichtig — fehlende Empfangsbelege schwächen das Vorgehen des Arbeitgebers.
  • Arbeitgeber können nach einer für unwirksam erklärten außerordentlichen Kündigung in der Regel keinen Auflösungsantrag stellen.

tl;dr – Die drei wichtigsten Leitsätze

  1. Druckkündigung ist die Ausnahme, nicht die Regel.
  2. Nachweisbare Vermittlungsbemühungen sind entscheidend.
  3. Fehlende Abmahnung und Dokumentation verhindern wirksame Kündigungen.

Entscheidungsdaten

  • Gericht: LAG Niedersachsen
  • Datum: 13.05.2025
  • Aktenzeichen: 10 SLa 687/24
  • Schlagwörter: Auflösungsantrag des Arbeitgebers, außerordentliche Kündigung, Druckkündigung
  • Entscheidungsform: Urteil
  • ECLI: DE:LAGNI:2025:0513.10SLa687.24.00

Heike Traphan

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Marc Traphan

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