Abmahnung-FAQ

Warum gibt es eine arbeitsrechtliche Abmahnung?

Länger andauernde Vertragsverhältnisse sollen nicht einfach gekündigt werden. Wenn etwas “nicht rund läuft”, muss eine Seite der anderen dies mitteilen und ihr ermöglichen, die Störung zu beseitigen. Mit einer Abmahnung rügt der Arbeitgeber also einen Arbeitsvertragsverstoß des Arbeitnehmers. Vor einer Kündigung soll damit dem Arbeitnehmer deutlich werden, dass das Arbeitsverhältnis gefährdet ist. Eine unwirksame Abmahnung kann in einem späteren Kündigungsschutzprozess zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

Wann ist nach der Rechtsprechung eine Abmahnung vor der Kündigung notwendig?

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits von vornherein erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16

Welchen Inhalt muss eine arbeitsrechtliche Abmahnung haben?

Daher sind zwei Elemente bei einer Abmahnung immer erforderlich: Eine Rüge und eine Warnung.

Rügefunktion: Der Arbeitgeber beanstandet eine ganz konkrete Pflichtverletzung des Mitarbeiters. Er fordert ihn auf, ein ganz bestimmtes Verhalten zu ändern oder aufzugeben.

Warnfunktion: Der Arbeitgeber zeigt dem Mitarbeiter auf, dass bestandsbedrohende Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis an die Fortsetzung des missbilligten Verhaltens geknüpft sind. Diese können je nach Art und Schwere des Verstoßes auch in einer Versetzung oder Änderungskündigung bestehen.

Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.01.1980 – 7 AZR 75/78

Welches sind die vier Bestandteile einer Abmahnung?

Rüge- und Warnfunktion gliedern sich bei einer wirksamen Abmahnung in vier wesentliche Bestandteile auf.

die konkrete Feststellung des beanstandeten Verhaltens (Vorwurf)

die exakte Rüge der begangenen Pflichtverletzung (Wertung)

die eindringliche Aufforderung zu künftigem vertragsgetreuem Verhalten (Unterlassung)

der eindeutige Hinweis auf bestandsbedrohende Konsequenzen im Wiederholungsfall (Konsequenz)

Der Vorwurf des Vertragsverstoßes

Die Vertragsverletzung eindeutig muss eindeutig beschrieben sein. Schlagwortartige Bezeichnungen und Werturteile reichen nicht aus. Das Fehlverhalten muss zweifelsfrei erkennbar und damit künftig vermeidbar sein.

Die Wertung des Fehlverhaltens

Es muss eine (ggf. ungeschriebenen) Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt sein. Gelegentlich werden Verfehlungen gerügt, die überhaupt nicht zu den Vertragspflichten gehören.

Die Aufforderung zum Unterlassen

Der Empfänger der Abmahnung muss zu künftigem vertragsgetreuem Verhalten aufgefordert werden. Ihm muss deutlich werden, dass er Pflichtverletzungen zu unterlassen hat.

Die Androhung von Konsequenzen

Es muss unmissverständlich aufgezeigt werden, dass das Arbeitsverhältnis im Falle der Wiederholung des Fehlverhaltens bedroht ist. Unklare Formulierungen warnen nicht.

Wer darf abmahnen?

Abmahnen darf nur, wer gegenüber dem Abgemahnten weisungsbefugt ist. Nicht jeder Vorgesetzte darf also abmahnen. Es muss aber auch nicht zwingend die Geschäftsführung sein.

Wie oft muss vor einer Kündigung abgemahnt werden?

Eine bestimmte Zahl von Abmahnungen vor der Kündigung ist nicht festgelegt. Je nach Schwere der Verfehlung kann sogar eine einzige Abmahnung ausreichen. Bei Diebstahl, Betrug oder Tätlichkeiten kann meist ohne Abmahnung gekündigt werden. Es gibt also keine Regel: “(Erst) nach zwei (oder drei) Abmahnungen darf gekündigt werden.”

Wie lange ist eine Abmahnung gültig?

Eine Abmahnung muss nicht schon dann entfernt werden, wenn sie ihre Warnfunktion für eine Kündigung verloren hat. Sie kann so lange in der Personalakte bleiben, bis sie unter keinem Aspekt mehr für das Arbeitsverhältnis wichtig ist. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19.07. 2012 – 2 AZR 782/11) und bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung. Die Abmahnung soll dem Mitarbeiter zeigen, dass er gegen seine Pflichten verstoßen hat und sein Arbeitsplatz gefährdet ist. Hält sich der Mitarbeiter künftig an die Spielregeln, verliert die Abmahnung allein durch Zeitablauf ihr Gewicht. Wann sie bedeutungslos wird, hängt von der Schwere des gerügten Fehlverhaltens ab, eine feste Frist gibt es nicht.

Die Abmahnung soll jedoch nicht nur warnen, sie dokumentiert auch. Deshalb kann sie auch noch für den Arbeitgeber wichtig sein, selbst wenn sie ihre Warnfunktion längst verloren hat und als Grundlage für eine Kündigung wertlos ist. Wenn der Arbeitgeber später über eine Beförderung oder Gehaltserhöhung entscheidet oder ein Zeugnis verfassen muss, darf er noch auf eine zu Recht erteilt Abmahnung zurückgreifen und sie in seine Entscheidung einbeziehen.

Gibt es typische Fallstricke bei der Abmahnung?

Die Abmahnungen müssen gleichartig sein

Die Abmahnungen müssen sich auf gleichartige Pflichtverletzungen beziehen, die Abmahnungs- und Kündigungsgründe müssen aus demselben Bereich stammen. Nicht vergleichbar sind Verspätungen und verbotener Alkoholkonsum. Eher vergleichbar sind Verspätungen und unterlassene Anzeige der Arbeitsunfähigkeit, weil hier der betriebliche Ablauf gestört werden kann. Der Arbeitsplatz ist unbesetzt, weil der Mitarbeiter einerseits nicht erscheint und andererseits nicht rechtzeitig für Vertretung gesorgt werden kann. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche – die Arbeit bleibt liegen.

Durch die Abmahnung ist das Fehlverhalten verbraucht

Wird ein ganz bestimmtes Fehlverhalten abgemahnt, so ist es verbraucht und kann nicht gleichzeitig die Kündigung begründen (“Wir mahnen ab und kündigen das Arbeitsverhältnis.”). Also entweder abmahnen oder kündigen; sofern eine Kündigung schon möglich ist. Auch hier gilt wieder: Die Umstände des Einzelfalls entscheiden.

Kann eine Abmahnung auch mündlich ausgesprochen werden?

Ja, das geht. Im Kündigungsschutzprozess muss nur bewiesen werden, dass sie formgerecht ausgesprochen wurde. Das ist nahezu unmöglich – jedenfalls gibt es kein Urteil, in dem jemals eine mündliche Abmahnung eine Kündigung gestützt hätte. Eine schriftliche Abmahnung ist daher unbedingt empfehlenswert.

Können mehrere Verfehlungen in einer Abmahnung zusammengefasst werden?

Das ist juristisch gefährlich, obwohl es natürlich praktisch ist. Das Problem dabei: Jede einzelne Verfehlung muss absolut korrekt beschrieben und eingeordnet werden. Wenn nur eine Darstellung falsch ist, dann bricht die gesamte Abmahnung zusammen. Es ist also besser, Rügen nicht zusammenzufassen, sondern für einzelne Vorfälle jeweils getrennte Schreiben zu verwenden.

Die Abmahnung wird zur leeren Drohung

Zu viele Abmahnungen können auch schaden:

Es trifft zu, dass die Warnfunktion einer Abmahnung erheblich dadurch abgeschwächt werden kann, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2001 – 2 AZR 609/00

Wie viele Abmahnungen sind nun richtig? Es kommt auf den Einzelfall an; so ist es nun einmal. Recht ist keine Mathematik.

Auch im Kleinbetrieb kann eine Abmahnung notwendig sein

Wenn im Betrieb nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 23 Abs. 1 KSchG), dann gilt das Kündigungsschutzgesetz dort nicht. Eine Kündigung ist immer ohne weitere Voraussetzungen zulässig. Allerdings muss der Arbeitgeber ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme waren, eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung kann daher gegen Treu und Glauben verstoßen. Denkbare Fälle sind z.B. langjährige Arbeitsverhältnisse oder erhebliche Unterhaltspflichten.